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Homogene
Lerngruppen gibt es nicht!
Oder wie es Professor Kurt Maiers in der Ausgabe 2/2000 der Zeitschrift
Was?Wie?Warum? des Cornelsen Verlages treffend beschreibt:
Wir müssen endlich akzeptieren und berücksichtigen, dass "homogene
Klassen ein Phantom sind, dem die Pädagogik zu lange nachgehangen hat".
Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass es ein wichtiges Grundanliegen der
Lehrpersonen in der Grundschule ist, jedem Kind mit seiner individuellen
Wesensart gerecht zu werden, ihm mit seinen individuellen Lernvoraussetzungen
zu erfolgreichem Lernen zu verhelfen und dies im
Alltag mit 28 Kindern in der Klasse..
Sind diese Spannungen aufzulösen?
Weil Kinder unterschiedlich schnell und erfolgreich lernen und vor allem
auf ganz unterschiedliche Weise, können nie alle Kinder zur gleichen Zeit
dasselbe und möglichst noch im gleichen Umfang leisten. Wir haben überall
äußerst heterogene Klassenzusammensetzungen die es anzunehmen gilt und der
wir in der Schule durch differenzierte Lernangebote oder Lernmöglichkeiten
gerecht werden müssen!
Wir alle wissen um die immer bunter werdende Lerngruppe mit ihrer
Heterogenität in allen Bereichen. Wir spüren die Notwendigkeit, auf diese
veränderten Situationen einzugehen und wissen auch, dass wir dieser Vielfalt
gerecht werden müssen. Dennoch verstummen die Stimmen nicht, die immer noch
immer wieder neue Möglichkeiten fordern oder selbst suchen, Lerngruppen zu
"homogenisieren". Vermutlich wird darin auch die Angst vor der
Herausforderung einer Binnendifferenzierung sichtbar.
Immer wieder höre ich den Wunsch nach möglichst gleichem Zeitbedarf und
einheitlicher Art etwas zu bearbeiten um im gemeinsamen Lernprozess
fortzufahren. Dieser Lernprozess lässt Vergleiche zu, ermöglicht gleiche,
zumindest leicht vergleichbare Lernkontrollen und hilft der Lehrkraft
jederzeit den Überblick zu haben. Orientiert er sich dabei am auch einzelnen
Kind oder hilft diesem?
Aus derartiger Sicht dient Differenzierung in erster Linie dazu, die
Gleichschrittigkeit in vielen Bereichen zu erhalten und innerhalb der Schritte
meist über die Quantität und teilweise noch über die Beachtung des
Schwierigkeitsgrades zu steuern. Quantität und Schwierigkeitsgrad sind dabei
meist von der Lehrerin, dem Lehrer bestimmt, vom Schulbuchautor oder
letztendlich nur noch durch die kleinen Hinweiszeichen zu Differenzierung auf
den Arbeitsmaterialien, aus dieser Sicht der Dinge und nach diesen fremden
wohlüberlegten Erwartungen. Oft stellt sich mir dabei die Frage, was das Ziel
der Differenzierung ist:
- individuelle Lernwege und Lernstrategien zuzulassen (stellt die Sicht der
Lehrkraft in den Mittelpunkt),
- individuelle Lernwege und Lernstrategien anzuregen, zu neuen Wegen ermuntern
(stellt das Kind in den Mittelpunkt)
- unterschiedliche Arbeiten und Themengebiete zu ermöglichen (stellt das Kind
mit seinen Interessen in den Mittelpunkt)
- gleichzeitig möglichst alle Kinder zu beschäftigen (stellt überwiegend
die Organisation in den Mittelpunkt)
- (mit den Begriffen "darfst", "kannst", "sollst"
ist eine sprachlich leicht nachvollziehbare Kurzfassung dieser Ansätze
gegeben)
In meiner Tätigkeit als Schulrat erlebe ich seltene Höhepunkte, bei denen
die Kinder während dem ganzen Lernprozess tatsächlich ihre Eigenart, ihre
Zugangsweisen, ihre Vorraussetzungen erfolgreich nutzen können und damit
ihren Lernweg und das Lerntempo selbst bestimmen, zumindest mitbestimmen.
An was soll sich diese Binnendifferenzierung nun aber letztendlich
orientieren?
Im Folgenden gilt es einige unterschiedliche Differenzierungsansätze
aufzuzeigen, die sich an der unterschiedlichen Art der Kinder orientiert, an
ihrer unterschiedlichen Art zu lernen, Dinge aufzunehmen und zu verarbeiten,
mit Sicherheit oder Unsicherheit umzugehen usw.
Dieser Differenzierungsansatz berücksichtigt jeweils individuell die
biologischen Voraussetzungen der Kinder, ihre grundsätzlichen Denkmuster,
ihre vorgeprägten Verarbeitungsebenen und selbstverständlich auch die
Kenntnisse über unterschiedliche Lernmöglichkeiten. Lerntechniken stellen
dann erst die zweite Stufe, also die produktive Umsetzung dieser Erkenntnisse
dar.
Am Kind orientierte Differenzierung berücksichtigt
- Einflüsse der Großhirndominanz, also die
"Spezialisierung" der Großhirnhälften
- die unterschiedlichen Eingangskanäle (visuell, auditiv, kinästhetisch)
- Vorhandene Denkmuster mit
- Orientierung in der Zeit
- Grundorientierung an Gleichheiten oder Alternativen
- Proaktives und reaktives Grundverhalten
- Problem- oder zielorientiertes Vorgehen
- die Denkweisen und Interessen der Kinder
- Vorkenntnisse einzelner Kinder
- das individuelle Arbeitstempo der Kinder
- den Wunsch nach unterschiedlichen Sozialformen
- Grundstrukturen sinnvollen Lernens (z.B. die Brunerschen Stufen im
Lernprozesse und
- die Definition des aktiven Lernens als Umwandlungsprozess
innerhalb der Stufen)
Nähere Beschreibung zu den einzelnen Punkten und vor allem kommentierte
Beispiele finden Sie in den Darstellungen von Roland Bauer und Jutta Maurach:
Die Persönlichkeit der Kinder annehmen und bei Lernangeboten
berücksichtigen. In Roland Bauer(Hrsg.): Kindgerechte Grundschule gestalten.
Berlin 2000. Seite 67 bis 109 und in einer kürzer gefassten Form im
. . . ((Cornelsen Homepage)). Dort sind auch Anregungen zu finden, wie den
Kindern bei der Entdeckung ihres Lerntyps geholfen werden kann.
Wie ist das im Alltag umsetzbar? Wie ist das im Klassenverband machbar?
Fragen die sich sicherlich aufdrängen. Möglichkeiten echter Differenzierung
sind häufiges Auflösen des Klassenverbandes, individuelles Lernen an
Lernangeboten z.B. beim Lernen an Stationen (von außen bereitgestellt) und
ein Rahmen für offene Lernmöglichkeiten (durch die Kinder geprägt). Siehe
auch: Roland Bauer, Lernen an Stationen in der Grundschule, Cornelsen, Berlin
1997.
Differenzierung muss sogar schon in Einführungs- oder Hinführungsphasen
beginnen und nicht erst beim Üben und Anwenden. Im Folgenden werden
unterschiedliche Zugänge von Kindern beschrieben und Schlussfolgerungen für
den Unterricht aufgezeigt:
Umgang mit Neuem und Unbekanntem: (auch: Grundorientierung in der Zeit)
Es gibt Kinder (und Erwachsene), die sich sehr spontan auf Neues einlassen, es
als eine momentane Herausforderung ansehen und durch Probieren, durch Versuche
ihre Erfahrung machen. Solche Kinder benötigen Anregungen, Materialien und
vor allem die sofortige Möglichkeit, sich mit all dem auseinander zu setzen.
Solche Kinder können mit langen Vorreden, Erklären und Rückleitungen auf
bisher Bekanntes schlecht umgehen. Sie werden unruhig, suchen derweil selbst
Beschäftigungen, was dann vorschnell als Störung empfunden wird; sie sind
gegenwartsorientiert.
Andere Kinder versuchen bei allem Neuen Bezüge zu dem herzustellen, was sie
bisher schon kennen und können; sie bauen auf ihren bisherigen Erfahrungen
auf. Sie benötigen diesen Bezug, die Rückerinnerung an bisher Erlebtes und
bisher Gelerntes und benötigen auch Zeit um sich ähnlich zu verhalten wie
die eben schon beschriebenen sehr spontanen Kinder.
Ihr Ansatz sind Erfahrungen aus der Vergangenheit.
Eine dritte Gruppierung von Kindern sucht zuerst den Sinn einer Arbeit.
Möchte wissen, zu was es "nützt", wo die Inhalte und Verfahren
Bedeutung haben und angewandt werden. Dann werden sich solche Kinder mit
Hingabe und Genauigkeit den Aufgaben widmen. Ihre Motivation ist an der
Zukunft orientiert.
Daraus leiten sich sowohl differenzierte Zugänge im Unterricht ab, die den
Kindern auch in Hinführungsphasen ihre eigene Art ermöglichen als auch sich
anschließende unterschiedliche Auswahlangebote, die eben dieses
berücksichtigen. Dann arbeiten Kinder in eigenständigen oder betreuten
Kleingruppen mit Anregungen oder Material; die gemeinsamen Phasen tragen
anschließend erst zusammen und verdeutlichen damit auch unterschiedliche
Lern- und Aneignungsprozesse, machen sie hoffentlich auch bewusst.
Wie diese Differenzierung z.B. beim Lernen an Stationen in
Arbeitsaufträgen umgesetzt wird, verdeutlichen die Darstellungen:
((ggf. verkleinerte Ausschnitte der Seiten 95 und 96 aus "Kindgerechte
Grundschule gestalten))
Differenzierung fördert Unterschiede und nutzt die Stärken inhomogener
Lerngruppen für optimales Lernen!
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