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Beratung und Schulaufsicht Erfahrungen und Sichtweisen eines Schulrats Aufsicht und Beratung – im Grundsatz ein Widerspruch?
Aufsicht und Beratung, ein Thema, sicherlich oft diskutiert und von allen Seiten beleuchtet. Trotzdem betrachte ich diese beiden Begriffe aus meiner Sicht und setze sie zueinander in Beziehung. Aufsicht schließt Beratung ein - Beratung ist nur ohne Aufsicht möglich. Sind damit schon die beiden Ansätze beschrieben? Die meisten Beratungsmodelle gehen davon aus, daß am Anfang einer Beratung ein Veränderungswille, das Feststellen von Unzulänglichkeiten oder Problemen oder die Suche nach Lösungsmöglichkeiten steht. Aufsicht wiederum bedingt, daß ein Istzustand festgestellt und mit dem Sollzustand in Verbindung gebracht wird, ein Sollzustand der sich aus den Ausführungen bzw. der Einhaltung der Bildungs- und Lehrpläne, Rahmenrichtlinien und sonstigen einschlägigen Verordnungen ergibt. Beratung hat sich m.E. ebenfalls daran auszurichten und einen besseren Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler zum Ziel. Grundvoraussetzungen für eine Optimierung sind: Zufriedenheit aller am Schulleben Beteiligten (auch Berufszufriedenheit der Lehrerinnen und Lehrer), Beachtung optimaler Lernformen (und damit Anerkennung der Einmaligkeit der Schülerinnen und Schüler), Akzeptanz der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und damit Forderungen im sozialen und inhaltlichen Bereich, Akzeptanz des gemeinsamen Erziehungsauftrages von Elternhaus und Schule usw.
Eine gute Aufsicht und eine gute Beratung muß die Hintergründe für ihr Denken und Handeln einbringen und darstellen. Dazu gehört Transparenz bezüglich der Betrachtungsweise (des "Hintergrunds") von Schule, Unterricht und Lernen, Aspekte, welche die Zielrichtung von Unterricht und Lernen in der Schule beschreiben. In gleichem Maße sind diese Aspekte bei Aufsicht und Beratung zu sehen, sofern sie am gemeinsamen Ziel ausgerichtet sind: Unterricht auf der Grundlage der geltenden Rahmenbedingungen zu optimieren. Aufsicht kann und darf sich nicht damit begnügen, Mißstände aufzuzeigen und Momentansituationen nur zu bewerten. Das Ziel ist doch, gemeinsam Ansätze zu finden um die Betroffenen in die Lage zu versetzen selbst evtl. Mißstände zu beseitigen, neue Wege zu gehen oder bisheriges Tun zu bestätigen. Aufsicht kann und soll genau beschreiben und mit dem Sollwert in Verbindung bringen, eine Zielvereinbarung erarbeiten, ggf. auch festlegen. Damit sehe ich auch alle Formen der Bestätigung beinhaltet, um mich vom meist sichtbaren Defizitdenken abzugrenzen. Beratung kann und muß diese Zielvereinbarung ebenfalls erreichen und beinhaltet die Bestätigung in gleichem Maße. Sind dann Aufsicht und Beratung in ihrem Grundansatz noch so weit voneinander entfernt? Oder bleibt nur noch die Grundfrage, ob oder wie sich aus einer Aufsichtssituation überhaupt eine vernünftige Beratungssituation entwickeln läßt? Ich stelle hier bewußt Aufsicht und Beratung nebeneinander, nicht in eine Abhängigkeit oder gar einen Widerspruch. Beide haben aus meiner Sicht die gleiche Ausgangsbasis und verfolgen dasselbe Ziel. Sie gehen von einer vergangenen oder aktuellen Situation aus und sollen die aktuelle Situation bestätigen oder verbessern. Meist setzt dies eine Bestandsaufnahme voraus oder aber eine klare Zielbeschreibung. In der Tätigkeit des Schulrates ist Aufsicht und Beratung integriert. Beide sollten m.E. nebeneinander stehen, nicht vermischt werden. Die Vermischung von Aufsicht und Beratung behindert aus meiner Sicht die Möglichkeiten einer guten Beratung, weil dem Gegenüber unklar ist, ob aus der Aufsichtsfunktion eine Weisung vorliegt oder eine Beratung. Die Weisung geht von Hierarchie aus, die Beratung von gleichrangigen Partnern. In den Köpfen der Lehrerinnen und Lehrer ist Aufsicht immer mit Hierarchie und fast immer auch mit Bewertung verbunden und damit der Widerspruch zu einer als partnerschaftlich empfundenen Beratung bereits vorhanden. Ergeben sich aus der Aufsichtsposition nun direkt und unmittelbar Beratungsansätze, beinhalten sie die Gefahr, daß sie sehr schnell in die Expertenberatung abgleiten, eine direktive Expertenberatung: Wer ein Defizit feststellt, liefert oder fordert meist auch gleich die schnelle Lösung dazu. Mit dieser schnellen Lösung können jedoch nur kurzfristig Erfolge erzielt werden. (Eine Aussage, die ich auch auf die Schulaufsicht überhaupt übertragen würde.) Für den so Beratenen führen sie zwar meist dazu, daß durch den kurzfristigen Erfolg die Aufsicht zufriedengestellt ist und damit eine weitere Beratung im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterbleibt oder zumindest vernachlässigt wird. Auf Dauer ändert sich auch diese Art und Weise jedoch nichts! Langfristig angelegte und kontinuierlich begleitete Weiterentwicklung ist aber notwendig, wenn vor allem das Prozeßberatungsmodell mit längerfristig angelegten eigenverantwortlichen Handlungskompetenzen verwirklicht werden soll. Bei der Expertenberatung weiß die Kollegin oder der Kollege was ihr/sein Problem ist, welche Lösung benötigt wird, sie oder er wünscht zusätzliche Informationen von mir oder auch nur einen Tip oder einen Rat. Dazu gehört sicherlich ein Grundvertrauen dem Berater gegenüber, das Wissen, daß die grundsätzliche Wertschätzung trotz dem vorhandenen "Problem" besteht. Der Beratene braucht zumindest den Glauben, daß ich als Berater in dem gefragten Gebiet ein Experte bin. Die gleichen Grundvoraussetzungen sind beim Arzt-Patient-Modell angesprochen. Hier steht der Diagnoseprozeß im Mittelpunkt. Die Lehrerin oder der Lehrer (auch Schulleiterinnen und Schulleiter) leidet unter bestimmten Unzulänglichkeiten oder Problemen, kennt jedoch meist noch keine Ursachen oder mögliche Lösungen. Im kooperativen Miteinander werden Informationen ausgetauscht und Lösungsvorschläge erarbeitet. Das Arbeiten im Prozeßberatungsmodell setzt an einem Wunsch nach Veränderung an. Hier braucht die Lehrerin oder der Lehrer (auch Schulleiterin oder Schulleiter) jemanden, der Problemursachen und –lösungen herausfindet. Sie oder er nimmt mit der Hilfe des Beraters prozeßhafte Ereignisse der eigenen Umwelt wahr und lernt diese richtig zu interpretieren und ihnen angemessen zu begegnen, also zu handeln. In diesen Modellen hat kooperatives Arbeiten Vorrang. Partnerschaft zwischen Schulrat und Lehrer/innen sowie Schulleiter/innen ist dazu unabdingbar. Diese gilt es aufzubauen. Eine Partnerschaft zwischen Schulrat und den Personen in der Schule kann nur über direkte und persönliche Kontakte und Zusammenarbeit aufgebaut werden. Auch ein "Beratungsmanager", wie ein Schulrat in Zukunft u.U. gesehen wird, benötigt unabdingbar den persönlichen Kontakt um überhaupt als Manager Schule und unterschiedliche Beratungsinstitutionen zusammenzubringen und situationsangemessen zu verknüpfen. Ich gehe von einer Partnerschaft aus, die sich klar von "Kumpelhaftigkeit" o.ä. abgrenzt, einer "Partnerschaft als Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit zwischen gleichberechtigten Personen." Die Gemeinsamkeit ergibt sich aus der gleichen Sache, der Optimierung von Schule im Sinne der Vorgaben und den Menschen die darin arbeiten. Gleichberechtigung kann sich außerhalb der reinen Aufsichts- und Bewertungssituation nur im Rahmen gemeinsamer Arbeit optimal entwickeln:
Überall setze ich mich genauso möglicher Kritik und der Diskussion aus, wie es die Partner an der Schule auch tun. Schon allein dadurch werde ich zum Partner. Für mich waren und sind weitere Möglichkeiten, um ein partnerschaftliches Verhältnis aufzubauen und damit die Grundlage für eine gute Beratung zu schaffen:
Es wäre ja schön, wenn wir als Berater in diesem Sinne gefragt wären, könnte eine Reaktion darstellen. Kommen wir als Schulräte nicht oft an Schulen, obwohl wir gar nicht gerufen sind? Manchmal müssen wir, weil durch irgendwen Mißstände aufgezeigt wurden.
In der Aufsichtsfunktion muß ich den Unterricht und die Situation an der Schule auf dem Hintergrund der Bildungspläne oder der erweiterten gemeinsamen Grundlage spiegeln. Ausgangspunkt kann dabei meine Sicht der Dinge, die aktuelle Lage oder der Wunsch oder die Einsicht des zu Beratenden sein. Hierzu gehört oft Mut und vor allem absolute Klarheit. Verschlüsselte Botschaften werden selten aufgenommen und sind meines Erachtens auch nicht gewünscht. Erst auf dieser Grundlage, einer Spiegelung der momentanen Situation ist m.E. Beratung aufzubauen, falls sie aus einer Aufsichtssituation entspringt. Der Wunsch oder die Einsicht von der Schulleiterin, dem Schulleiter, einer Lehrerin oder einem Lehrer, eine Beratung zu erhalten, führt sowieso direkt in eine der bereits erwähnten Muster, sollte jedenfalls nie in eine direktive Beratung führen. Bei der direktiven Beratung würde ich als Experte auftauchen und um das Respektieren der Positionen bitten: Hier Ratsuchender und dort Ratgebender. Empfehlungen, Hinweise und Ratschläge meinerseits würden die Abhängigkeit des Ratsuchenden eher erhöhen. Ich bin sicher, daß ich damit der Experte bleibe und der zu Beratende wird versuchen meine Kompetenz zu nutzen; seine eigene Kompetenz ist dabei noch nicht erhöht. Anders bei der von mir bevorzugten nichtdirektiven Beratung: Dort kann ich Erklärungs- und Entscheidunghelfer sein, indem ich den Beratenden versuche zu verstehen und mich in ihn einzufühlen. Ihre / seine Selbstbestimmung und Selbstverantwortung versuche ich zu fördern, ihn von meiner Beratung unabhängig zu machen. Als Beobachter und Berater im Unterricht habe ich den großen Vorteil nicht selbst im Handlungsdruck zu sein, damit Dinge gezielter und bewußter wahrzunehmen, zu analysieren und mögliche Schlußfolgerungen abzuleiten. Um mich selbst dabei auf den Unterricht einzulassen sind mir einige Grundeinstellungen sehr wichtig:
Ich
Grundeinstellung im Bezug auch mich als Beobachter:
Grundlagen der Planung und Durchführung meiner Beratung im Zusammenhang mit Unterricht:
Ich
"Das kann in diesem Sinne jeder oder jede", mag eine kurze Reaktion auf die Ausführungen sein. Nach meiner Erfahrung werden solche Dinge von Lehrkräften jedoch erst dann ernst genommen, wenn auch ich in meiner Art ernst genommen werde, wenn ich glaubwürdig bin. Die Glaubwürdigkeit ergibt sich dabei zum einen aus einer umfassenden Kompetenz in Fragen des Unterrichts und der Tatsache, sich ebenfalls in unterschiedlichen Arbeitssituation selbst der Kritik und Bewertung zu stellen. (siehe Ausführungen zur Partnerschaft) Nur wer selbst für eine Veranstaltung auch Materialien vorbereitet und der Kritik aussetzt wird überhaupt noch erahnen können, was es bedeutet, Arbeitsanweisungen zu formulieren, zu gestalten und das entsprechende Material bereitzulegen. Im Gegensatz dazu wird jemand eher unglaubwürdig, wenn Selbstverantwortung, Offenheit, Kooperation u.ä. verlangt werden und selbst nur direktive (Dienst-) Besprechungen abgehalten, Direktiven gegeben und Grundstrukturen von Abhängigkeit gefestigt werden. Dabei soll der Eindruck vermieden werden, daß nur derjenige oder diejenige gut Unterricht beobachten und beraten kann, die oder der auch selbst guten Unterricht gestalten kann. Für mich ist nur wichtig, daß nicht nur einseitige Rollen vorherrschen, in denen immer dieselben Personen agieren und von den anderen beobachtet und beraten werden. Sich selbst in Konferenzen, Gesprächen und Pädagogischen Tagen mit Beiträgen und Materialien einzubringen signalisiert die eigene konstruktive und aktive Auseinandersetzung mit Inhalten und natürlich den jeweiligen Arbeitspartnern. In Einzelsituationen wollen die Ratsuchenden meist schnelle Lösungen für ihr momentanes "Problem". Dabei ist für mich wichtig, dieses Problem zuerst wahrzunehmen, die Problem- oder Zieldarstellung zu unterstützen. Hier versuche ich zu unterscheiden, geht es um eine kurze Auskunft, einen Hinweis, um die Beantwortung einer Frage oder um ein Beratung, die auf langfristige selbständige Problemlösungs- oder Zielfindungsstrategie abzielt. Am Telefon sind die "schnellen" Auskünfte, Hinweise, Ratschläge gut zu machen, allerdings ist das für mich weit weg von einer längerfristig angelegten prozeßorientierten Beratung, die den persönlichen Kontakt bedingt und das "aufeinander Zugehen" auch im wörtlichen Sinne. (Wer in mein Büro kommt, kommt nur auf mich zu!). Sinnvolle Beratung in Einzelgesprächen oder Einzelsituationen ergeben sich meist aus partnerschaftlichem Arbeiten oder Zusammensein, womit doch viele Beratungsschritte oder auch ganze Wege in ihrem Ansatz beinhaltet sind. In einem solchen Rahmen fällt es auf, wenn der Schulrat schon länger nicht mehr an Schule bzw. im Lehrerzimmer war. Aufsicht und Beratung sind dann in einer Person zu vereinbaren, wenn sie von ihr auch getrennt werden können. Prozeßorientierte Beratung bedarf eines partnerschaftlichen Umgangs miteinander. Partnerschaft muß erst durch aktives tun und das direkte Umgehen miteinander aufgebaut werden, sie läßt sich weder herbei reden noch verordnen! Vierundzwanzig Schulen (in meinem persönlichen Fall) in diesem Sinne zu betreuen, sind zu viel, vor allem wenn auch noch viele "Querschnittsaufgaben" und uneffektive Dienstbesprechungen den vorhandenen Zeitrahmen deutlich einschränken. Trotzdem: "Schulrat" ist eine treffende Amtsbezeichnung und "Schul-Rat" zu sein eine schöne Aufgabe! © 2002 Roland Bauer. Alle Rechte vorbehalten |
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